Ein Übersetzungsfehler brachte eine Propagandawelle als Weihnachtsgeschenk mit sich

31.12.2018

In seiner Sitzung am 19. Dezember wurde vom Parlament ein Gesetzt verabschiedet, in welchem unter anderem präzisiert wird, in welchen Fällen das Pflegen von Beziehungen mit ausländischen Sicherheitsdiensten ein Verbrechen darstellt. Solche Beziehungen werden im Gesetz als Beziehungen gegen die estnische Republik bezeichnet.

Am selben Tag wird auf der Internetseite des Parlaments auf Estnisch eine Mitteilung über die Verabschiedung dieses Gesetzes veröffentlicht. In der Übersetzung ins Russische wird aber ein Fehler gemacht: „Die Beziehungen gegen die estnische Republik“ wird als „Negative Haltung gegen die estnische Republik“ übersetzt. So formuliert hinterlässt der Text einen irrtümlichen Eindruck, als würde man Estland kritisierende Gedanken und Meinungen gesetzlich unter Strafe stellen.

Der fehlerhaften Übersetzung widmet bis zum 25. Dezember niemand Aufmerksamkeit. Dann aber wird vom russischsprachigen Portal des ERR eine Nachricht über das neue Gesetz veröffentlicht, die basierend auf den Informationen aus der Internetseite des Parlaments zusammengestellt wurde. Die Schlagzeile dieser Nachricht ist genau dieser falsch übersetzte Satz „Negative Haltung gegen die estnische Republik“. Diese Nachricht mit derselben Schlagzeile wird auch von der russischsprachigen Zeitung Postimees veröffentlicht.

Die Tatsache, dass die Schlagzeile dieser Nachricht im Widerspruch mit dem Inhalt steht, wird in Estland gleich bemerkt. Der Fehler wird zum Gesprächsstoff in den sozialen Medien, auch Some genannt, der ERR und Postimees werden darüber informiert. Bis zum Nachmittag des 25. Dezember wurden in diesen Medienausgaben die Schlagzeilen berichtigt, über Some folgt eine Entschuldigung von der verantwortlichen Redakteurin des russischsprachigen Portals der ERR, Ekaterina Taklaja. Auf der Internetseite des Parlaments wird der Text bis zum 27. Dezember korrigiert.

Diese Korrektur kam aber viel zu spät. Die falsche Schlagzeile wurde von den russischen Medien bereits verwendet und wird schnell verbreitet. Darüber, dass in Estland Menschen bald wegen einer negativen Haltung bestraft werden, berichten Interfaks, Lenta, Vzgljad, RenTV, u.s.w., mit dem Hinweis auf ERR (die Links findet man im Suchroboter Propamon, wenn man die Nachrichten vom 25. Dezember sucht). Izvestija vervollständigt diese falsche Nachricht mit dem Kommentar, dass auch Russland plant ein Gesetzt zu verabschieden, in dem steht, dass die Beleidigung des Staates und seiner Beamten ein Verbrechen ist.

Diese falsche Nachricht wurde in den russischen Medien jedoch nicht so stark verbreitet, dass Propamon rote Gefahrsignale gezeigt hätte. Die Veröffentlichungen begrenzten sich auf einen Tag. Die russische Nachrichtenagentur Rosbalt veröffentlichte sogar eine Nachricht, in der mitgeteilt wurde, dass die ursprüngliche Nachricht fehlerhaft war und dass eine Abgeordnete im Europäischen Parlament, Yana Toom, auf diesen Fehler aufmerksam gemacht hatte. In der Zeitung Postimees hängt aber bis heute die Nachricht, in der die Schlagzeile korrigiert worden ist, aber dessen erster Absatz weiterhin diesen fehlerhaften Satz beinhaltet.

Warum wurde diese falsche Schlagzeile so schnell veröffentlicht? Das passt zu den vom Kreml veröffentlichten Propagandanarrative gegen Estland, als würden hier Menschen wegen ihrer Gesinnung diskriminiert, besonders jene, die die russische Sprache sprechen. Wenn diese falsche Schlagzeile für die estnischen Redakteure nicht merkwürdig schien, konnte diese für die russische Journalisten und Leser umso glaubwürdiger erscheinen.

Was kann aus diesem Fall gelernt werden? Fehler machen alle, aber um den Fehler wieder gut zu machen, reicht es nicht, einfach nur den Text zu korrigieren und sich zu entschuldigen. Man müsste nun mit den russischen Medienkanälen kommunizieren, die diese falsche Nachricht veröffentlicht haben, sie über dieses Missgeschick zu informieren und zu bitten, die korrigierte Nachricht noch ein weiteres Mal zu veröffentlichen. Zum Beispiel hat so eine Art Kommunikation im Jahr 2017 im Fall der goldenen Maske gut funktioniert, ebenso wurde auch bei einigen Fehlern in den westlichen Medienkanälen verfahren.

Auf Sprach- und Übersetzungsfehlern basierende Propagandafälle gab es in Estland auch schon früher.

Auf dem Bild: Screenshots aus den Nachrichten.