Die Pressefreiheit berechtigt nicht zu feindlicher Propaganda

16.06.2020

Mitte April, auf dem Höhepunkt des Coronavirus, erschien die Nachricht, dass Estland drei Positionen im Pressefreiheitsindex verloren hatte und nun auf Platz 14 steht und dass einer der Gründe für diesen Rückgang die Einstellung der Tätigkeit von Sputnik Estland ist.

Die Propaganda und der politischer Druck.
Die Internetseite dieses Berichts enthält eine Übersicht über jedes Land, in der das Ergebnis zusammen mit einer kurzen Beschreibung der Gründe für seine Erstellung dargestellt wird. Der estnische Teil enthält eine Zusammenfassung mit dem Titel „Russische Propaganda und politischer Druck“.

In der Zusammenfassung können wir drei Gründe lesen, welche die Ergebnisse beeinflusst haben, von denen einer, in Bezug auf die Einstellung der Aktivitäten von Sputnik, ziemlich zweideutig ist: „Ein weiterer Faktor, der die Diskussion über die Pressefreiheit in Estland definiert, ist die russische Propaganda. Ende 2019 drängte Estland, die kremltreue Redaktion von Sputnik in Tallinn zu schließen. Die Behörden begründeten ihren Schritt mit der Tatsache, dass gegen den CEO der estnischen Dachorganisation von Sputnik EU-Sanktionen verhängt wurden, weil er die territoriale Integrität der Ukraine untergraben hatte. Die russische Regierung startete daraufhin eine globale Kampagne gegen Estland und behauptete, Estland unterdrücke die russischen Medien.

Obwohl das oben Gesagte eher allgemein gehalten ist, kann man daraus lesen, dass die Verfasser des Index die kremlorientierte, staatlich finanzierte Propaganda als freie Presse und die Anwendung von Sanktionen der Europäischen Union als Einschränkung der Pressefreiheit betrachtet wird.

Auch Yana Toom bemerkte die negativen Auswirkungen der Aussetzung der Aktivitäten von Sputnik auf den Index. Laut Toom war sie überrascht, dass einer der Gründe für das Herabstufen Estlands Position eben das war, was Sputnik widerfahren war. Laut Toom ist dies angesichts des allgemeinen antirussischen Hintergrunds eine gute Botschaft.

Die Nachricht von der Herabstufung im Pressefreiheitsindex fand in den russischen Medien lebhafte Beachtung, da sie eine Fortsetzung der Kampagne gegen Estland zur Einstellung der Aktivitäten der Sputnik-Redaktion darstellte.

Obwohl die Methodik des Index auf der Internetsite der Reporter ohne Grenzen verfügbar ist, ist jedoch nicht klar, auf welcher Grundlage Estland diesmal Plätze verloren hat. Estland ist seit Jahren auf dem hohen elften Platz gewesen.

Russlands aktive Arbeit in Richtung Reporter ohne Grenzen.
In den russischen Medien findet man Nachrichten darüber, dass mehrere Versuche unternommen wurden, das Problem der Schließung der Sputnik-Redaktion den Führern von Reporter ohne Grenzen nahe zu bringen. Zum Beispiel trafen sich der Chefredakteur von Sputnik Estland und der Geschäftsführer von Russia Today in der russischen Botschaft in Paris mit Christophe Deloir, dem Generalsekretär der Reporter ohne Grenzen.

Russia Today sandte auch eine schriftliche Erklärung an die Organisation, die den Index zusammenstellt, als Antwort darauf versprach Jeanne Cavelier, die Leiterin der Abteilung Osteuropa und Zentralasien von Reporter ohne Grenzen, die Situation in Estland zu untersuchen und darüber nachzudenken, eine öffentliche Erklärung darüber abzugeben.

Derzeit ist schwer einzuschätzen, ob die Herabstufung im Pressefreiheitsindex das erste echte Ergebnis der russischen Kampagne gegen Estland ist. Russlands Lobbyarbeit in internationalen Organisationen, um Druck auf Estland auszuüben, ist beträchtlich, und in diesem speziellen Beispiel sollte die estnische Presse die Leiter von Reporter ohne Grenzen um Erklärung bitten, warum der Kampf gegen kremltreue Propaganda Estlands Position verschlechtert hatte.

Foto: Screenshot von der Seite Press Freedom Index.