Das Propagandawörterbuch: die weiche Kraft

01.06.2018

Soft power alias weiche Kraft ist ein Begriff, mit welcher die Fähigkeit eines Staates beschrieben wird, auf andere Staaten oder auch auf einzelne Personen durch Attraktivität einzuwirken, wodurch deren Bereitschaft zur  Zusammenarbeit gesteigert oder deren Zuneigung erlangt wird.

Soft power ist das Gegenteil zu dem Begriff hard power, worunter man in der Regel versteht, sich durch militärischen oder wirtschaftlichen Druck Geltung zu verschaffen, d.h. es wird anstatt mit Peitsche und Zuckerbrot durch Anziehung Wirkung erzielt.

Als Erster benutzte diesen Begriff der amerikanische Politologe Joseph Nye im Jahr 1990. Laut seiner Definition entsteht die weiche Kraft durch drei Komponenten: die Kultur, die  politischen Werte und die  außerpolitischen Aktionen. In Nye`s Vision war die weiche Kraft das Erlangen der Zuneigung von Jemanden durch diplomatische Mittel, anstatt direkten politischen oder wirtschaftlichen Einfluss zu nutzen.

Seit 2010 verfasst das Britische Institute for Goverment zusammen mit der Zeitschrift Monocle einen Index der weichen Kraft, in welchen 26 Staaten mit Hilfe verschiedener Merkmale in eine Rangliste der Beeinflussung eingeordnet werden. in diesem Index werden fünf größere Kategorien der weichen Kraft berücksichtigt: die Kultur, die Diplomatie, die Bildung, das Geschäft/die Innovation und das Regieren. Zu den 50 Faktoren, die  berücksichtigt werden, gehören zum Beispiel auch die Brands der Unternehmen, die in diesem Staat tätig sind, sowie die gewonnenen olympischen Medaillen.

Zu dem in der Monocle veröffentlichen Index gibt es noch weitere Ranglisten über die weiche Kraft in verschiedenen Staaten und bei den Meisten hat die USA den ersten Platz besetzt. Den zweiten Platz in diesen Tabellen teilen sich Deutschland und das Vereinigte Königreich.

Russland, das einen enormen Einfluss in der Welt anstrebt, zählt in diesen ersten fünfzehn Rankings nicht, obwohl für den Kreml die Bedeutung von Soft Power und die Wertschätzung dieses Wertes im Laufe der Jahre deutlich zugenommen haben. Um dies zu unterstützen, wurden mehrere Fonds gegründet, zum Beispiel ein Fond für die im Ausland lebenden Russen für deren Unterstützung und die Rechtschutz, Russki Mir, Rossotrudnichestvo und viele andere. Zusätzlich zu diesen Fonds werden die Aktionen der weichen Kraft von russischen Oligarchen und Großunternehmen finanziert.

Das Ziel dieser Aktionen ist es, den Einfluss und die Attraktivität Russlands in der Welt zu erhöhen, was bei nützlichen politischen Entscheidungen anderer Staaten hilfreich sein würde.

Wesentlich aktiviert wurde das Thema des Landsleute Russlands, erhöht wurde die Geltung der Orthodoxen Kirche in der Welt, aber es wurden auch allen möglichen kulturellen Aktionen intensiviert, sei es beim Organisieren der Olympischen Spiele, der Fußball-WM oder eine Teilnahme am European Song Contest.

Für Russland ist weiche Kraft mit staatlicher Propaganda eng verflochten, weswegen es sinnvoll ist, allen Vorhaben in diesem Bereich mit Vorsicht zu begegnen. Zum Beispiel verursachten Ende letzten Jahres in Estland zahlreiche Auftritte von Dirigent Kristjan Järvi mit dem russischen Geiger Mihhail Simonjan, welcher sich ganz öffentlich als ein Vertreter Russlands weicher Kraft vorgestellt hatte, viele kontroverse Kommentare.

Die Position Estlands in der Welt der weichen Kraft ist aufgrund der geringen Größe des Landes eher bescheiden, aber einzelne erfolgreiche Botschafter der weichen Kraft haben wir allerdings sowohl unter den Musikern als auch den Sportlern. Über die weiche Kraft in Estland und ihre Entwicklung hatte Daniel Vaarik 2016 in der Zeitung Sirp einen längeren Artikel veröffentlicht.

Laut dem Patenonkel dieses Begriffes, Joseph Nye, wurde dieser Begriff viel zu oft falsch interpretiert, weswegen er 2006 einen umfassenden Artikel veröffentlichte, mit Beispielen, was weiche Kraft ist und was nicht.

Lies auch den Artikel Propastops über die Netzwerke, die mit Russland in Verbindung stehen.

Foto: Ethan M. Long / Flickr / CC