Wurden die Wahlen in Estland beeinflusst?

12.03.2019

Seit Herbst letzten Jahres hat Propastop ein Auge auf die Beeinflussungstätigkeiten des Auslands bezüglich der Parlamentswahlen gehalten. Basierend auf den Schlussfolgerungen finnischer Experten haben wir im September eine Auflistung der Beeinflussungsmethoden zusammengestellt, die wir auch in Estland befürchtet hatten. Heute schauen wir nach, ob diese Befürchtungen begründet waren.

Die Kommunikation in den Kanälen des Kremls
Eine von den Monitoringfirma Meedius durchgeführte Studie hinterlässt keinen Zweifel daran, dass die kremltreuen Medien klare Vorlieben bezüglich estnischer Parteien hatten. Über die Mittelpartei wurde viel gesprochen und im Vergleich mit anderen Parteien in einem sehr positiven Ton. Wir behandeln diesen einseitigen Blickwinkel als einen Wahlkompass des Kremls, besser gesagt als eine Anweisung für die in Estland lebenden russischsprachigen Wähler.

Als Grund für diesen einseitigen Blinkwinkel halten wir weniger die Vorschreibungen der Kreml-Propagandisten, eher die guten Beziehungen lokaler russischsprachiger Politiker mit den genannten Medienkanälen. Wahrscheinlich ist es die russische Presse gewohnt, über die Mittelpartei als eine für die russischen Menschen in Estland passende Partei zu reden.

Die Wahlergebnisse zeigen, dass dieser Beeinflussungsmethode kein Erfolg beschieden war.

Durchsickern kompromittierender Informationen
Während der Wahlen sind kompromittierende Informationen ans Licht gekommen, die estnische Politiker beeinflusst hatten, so zum Beispiel Rainer Vakra und Anastassia Kovalenko betreffende Plagiatsanschuldigungen. Es handelt sich um eine gute Arbeit eines estnischen Investigativ-Journalisten, es gibt keine Anzeichen dafür, dass diese Informationen aus dem Ausland an die Presse durchgesickert wurden.

Die Tätigkeit der Trolle
Wir entdeckten die Tätigkeit der Trolle in Verbindung mit der in Narva begonnenen Fake-Nachricht. Das von diesem Fall ausgehende Aufdecken und darauf folgende Schließen des Netzwerkes dieser Fake-Konten ist ein großer Arbeitsgewinn Propastops, welcher durch die Zusammenarbeit Freiwilliger, der Zeitung Postimees und der Staatskanzlei erreicht wurde. Die Trolle wurden ertappt, bevor deren Tätigkeit großen Schaden angerichtet hatte. Bis heute hat sich nicht herausgestellt, wer genau hinter diesen Netzwerken stand. Mehrere Zeichen weisen auf eine russischsprachige Initiativgruppe und auf Russland hin. Charakteristisch für diese Posts war zum Beispiel die ungeschliffene Sprache; viele Fake-Identitäten konnte man mit  Konten in der Internetumgebung Vkontakte in Russland in Verbindung bringen. Zugleich haben auch estnische Parteien vor den Wahlen versucht, durch Fake-Konten die Öffentlichkeit zu beeinflussen, vielleicht waren daher einige Trolle auch einheimisch.

Die Tätigkeit der Beeinflussungsagenten
Es fehlen Beispiele und Beweise, dass die von Russland finanzierten Menschen in Estland aktiv Propaganda bezüglich der Wahlen gemacht hätten.

Verborgenes Kaufen von Werbung in den sozialen Medien
Über diese Tätigkeit fehlen die Beispiele.

Provokationen
Die Werbungen an der Straßenbahnhaltestelle der Narva Straße waren während der vergangenen Wahlen der wohl provokanteste Fall. Dieser Skandal wurde jedoch nicht aus dem Ausland organisiert, dahinter steckte eine einheimische Partei, die „Estland 200“. Die Propagandamedien Russlands haben diesen Fall sehr fleißig genutzt und Estland der Segregation ethnischer Gruppen beschuldigt. Die Medienaufmerksamkeit bezüglich dieses Falles beschränkte sich auf eine kurze Periode und die Provokation wurde nicht zum durchgehenden Thema der Wahlen.

Zusammenfassung
Es gaben einige Fälle von Beeinflussung, aber zum Glück sind die Befürchtungen, dass der Kreml sich die Wahlen in Estland genau so aktiv vornimmt wie die Präsidentenrally in den USA, die Abstimmung über den Brexit oder die Wahlen in Frankreich, sind nicht in Erfüllung gegangen. Die Einmischungen können eher als Zufälle, wenig aktiv und lauwarm gehalten werden.

Auf dem Bild: Screenshot von der auf in diesem Text hingewiesener Fake-Nachricht, das Foto des Titelblattes claudius9uk/Flickr/CC