Warum Sputnik V in Estland nicht verfügbar ist

04.03.2021

In der estnischen Gesellschaft wurde in den letzten Monaten viel über den russischen Impfstoff Sputnik V gesprochen. Medienausgaben haben Berichte über Länder veröffentlicht, die den Impfstoff des östlichen Nachbarn eingeführt haben. Es wurde von seiner Wirksamkeit gesprochen, soziale Gruppen wurden hervorgehoben, die Sputnik westlichen Impfstoffen und vielem mehr vorziehen.

Bedeutend weniger wurde darüber gesprochen, warum er in Estland noch nicht verfügbar ist, warum der Impfstoff Sputnik V der estnischen Bevölkerung möglicherweise nicht wesentlich hilft und was dahinter steckt. Schauen wir uns diese Episoden durch die Zitate aus den Berichten in den einzelnen Medienveröffentlichungen an.

Genehmigung des Europäischen Arzneimittel-Amtes für das Verkauf

Bis zum 3. März hatte der Hersteller von Sputnik V keinen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur gestellt, aber über diese Tatsache und über das für die Genehmigung zum Inverkehrbringen erforderliche Verfahren ist deutlich weniger geschrieben worden.

“Damit Sputnik V in Estland in verimpft werden kann, muss der Hersteller bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur einen Antrag auf Zulassung für das Inverkehrbringen zusammen mit allen erforderlichen Unterlagen über Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffs stellen. Wenn die Europäische Arzneimittel-Agentur feststellt, dass die Daten die Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs überzeugend belegen, wird die Europäische Kommission eine Genehmigung für das Inverkehrbringen des Impfstoffs erteilen. Bislang haben die Hersteller von Sputnik V wissenschaftlichen Rat bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur eingeholt, aber der Antrag auf Zulassung für das Inverkehrbringen wurde vom Hersteller bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur nicht eingereicht.“


„Das Erscheinen des russischen Coronaimpfstoffs Sputnik V auf dem Markt ist in der nahen Zukunft noch nicht zu erwarten, was bedeutet, dass jeder, der sich mit Impfstoffen impfen kann, die in Estland verfügbar sind, sollten dies auch tun”, sagte Tanel Kiik, Minister für Gesundheit und Arbeit.

“Es lohnt nicht, sich falsche Illusion zu machen, dass Impfstoffe außerhalb der gemeinsamen Beschaffung der Europäischen Union hier sofort hinzugefügt werden. Jetzt und hier ist macht es Sinn, dass, wenn ein Hausarzt einen Impfstoff anbietet, diesen anzunehmen. Sie sind alle wirksam”, sagte Kiik am Mittwoch auf einer Pressekonferenz des Gesundheitsamtes.“

Transparenz ist die Voraussetzung für alles

Warum zum Beispiel ist der Russische Sputnik nirgendwo richtig angekommen? Es gibt keine klaren wissenschaftlichen Informationen darüber, wie das alles gelaufen ist. Andere Impfstoffhersteller haben ihre Studien eingereicht, zig Millionen Menschen wurden geimpft – dies sollte ein ausreichendes Argument sein.

Andres Merits: “Sputnik hat keine zufriedenstellenden klinischen Studienergebnisse vorgelegt, die eine Voraussetzung für eine Zulassung in Europa sind.

Eine andere Sache ist auch, wie der Produktionsprozess in Russland organisiert wurde und inwieweit er den europäischen Anforderungen entspricht. Und drittens beträgt Russlands Fähigkeit, den Impfstoff herzustellen, bestenfalls vier Millionen Dosen pro Monat. Diese soll auf 10 Millionen pro Monat erhöht werden. Dies wiederum bedeutet, dass zwei Dosen für die Behandlung benötigt werden und 30 Millionen Menschen bis zum Sommer geimpft werden würden.”

Die Produktionsvolumen reichen für eine globale Abdeckung nicht aus

Andres Merits:  “Russland ist nicht in der Lage, Sputnik in solchen Mengen zu produzieren, die mit denen von Pfizer oder AstraZeneca vergleichbar sind. Die verfügbaren Daten deuten nicht darauf hin, dass die russische Impfstoffproduktion die Lösung der europäischen Arzneimittelkrise ermöglichen würde.“.

Wenn Estland ein äußerst guter Freund Russlands wäre und von dort eine Million Dosen bekommen würde, würde dies bedeuten, dass Russland selbst die Impfung für eine Woche abbrechen müsste. Das scheint nicht realistisch zu sein. Aus Russland kann nur eine sehr geringe Menge Impfstoff bezogen werden.”

 

Die stellvertretende Ministerpräsidentin Tatjana Golikova wies darauf hin, dass Russland plant, in der ersten Jahreshälfte 88 Millionen Impfstoffdosen zu produzieren, von denen 83 Millionen Sputnik V sein werden.

Bei der Suche nach Daten über Russlands Fähigkeit, Sptunik V zu exportieren, sticht die von Statista zusammengestellte Tabelle hervor, in der verschiedene in Medienpublikationen, einschließlich russischer Kanäle veröffentlichte Zahlen, zusammengefasst sind.

Mit Stand 2. März sieht man dort, dass Russland sich offenbar verpflichtet hat, im Rahmen verschiedener Abkommen insgesamt 320 000 000 Dosen Sputnik-V-Impfstoff zu liefern.

Abschließend kann man feststellen, dass Russland trotz der potenziellen Wirksamkeit von Sputnik V keine Schritte unternommen hat, um sicherzustellen, dass der Impfstoff eine Genehmigung für das Inverkehrbringen vom Europäischen Gesundheitsamt erhält.

Wir wissen weiterhin nicht, wie und unter welchen Bedingungen er produziert wird und welche Nebenwirkungen er hat, da nicht genügend klinische Studien über Sputnik V veröffentlicht wurden. Auch die Produktionskapazität scheint unter allen möglichen Erwartungen zu liegen.

ABER …

Es gibt eine ganze Reihe von Fragen zu stellen und zu beantworten, aber stattdessen konzentrieren sich die estnischen Medien auf andere Themen im Zusammenhang mit dem Sputnik V-Impfstoff.

Entstanden ist ein Mythos, als ob sich die Menschen auf den Sputnik-V-Impfstoff freuen, darauf warten und wünschten, er sollte sofort hier sein. Wir haben uns angeschaut, was die estnischen Medien über den russischen Impfstoff geschrieben haben, wie das ganze Thema behandelt wurde und versuchten, Gründe zu finden, warum ein solches Bild in der Öffentlichkeit entstanden ist.

Die Vorstellung, dass Sputnik V die Welt erobern wird

Zunächst fällt die Berichterstattung aus verschiedenen Ländern auf, die den Sputnik V-Impfstoff schon eingeführt haben oder dabei sind, dies zu tun.

Ein nordafrikanisches Land (Algerien) hat ein Abkommen mit einem russischen Labor zur Beschaffung des Coronavirus-Impfstoffs seit Januar unterzeichnet, wie Kommunikationsminister Ammar Belhimer mitteilte.

Rund 200.000 Dosen kamen mit einem British Airways Flug von Moskau auf dem internationalen Flughafen von Mexiko an. Nach dem offiziellen Plan werden die Dosen verwendet, um alte Menschen in den ärmsten Teilen der Hauptstadt zu impfen.

Mexiko hat die Möglichkeit, 24 Millionen Dosen dieses Impfstoffs zu erwerben, genug, um 12 Millionen Menschen zu impfen, sagte der Staatschef den Journalisten.

«Sie sehen hinter mir die erste Lieferung von zwei Millionen kommenden Dosen Sputnik-V-Impfstoffs”, sagte der slowakische Ministerpräsident Igor Matovic vor Reportern auf einer Pressekonferenz auf dem Flughafen Kosice im Osten des Landes.

Im von Separatisten kontrollierten Donbass werden die Bewohner bereits seit Anfang Februar mit dem Sputnik-V-Impfstoff geimpft.

Russland hat seinen Impfstoff auch nach Weißrussland, Serbien und Argentinien geliefert und berichtet, 2,6 Millionen Dosen nach Bolivien senden zu wollen, hat aber Schwierigkeiten mit der Produktionskapazität eingeräumt. 

Der iranische Botschafter in Russland, Kazem Jalali, sagte am Samstag, Teheran hoffe, die erste Charge des Sputnik-V-Impfstoffs am 4. Februar zu erhalten. Die zusätzlichen zwei Chargen werden bis zum 18. und 28. Februar geliefert werden, fügte er laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA dazu.

San Marino sollte seine Impfstofflieferungen aus Italien erhalten, wo sich dieser Kleinstaat befindet, aber als das nicht funktionierte, beschloss San Marino die Impfungen mit dem russischen Impfstoff Sputnik V zu beginnen. Die ersten Einwohner wurden am Donnerstag geimpft. In San Marino leben Insgesamt 35.000 Menschen. Russlands erste Lieferung bestand aus 7500 Dosen.

Die Verwendung von Sputnik V wurde von mehr als 20 Ländern genehmigt: Russland, Weißrussland, Argentinien, Bolivien, Serbien, Algerien, Palästina, Venezuela, Paraguay, Turkmenistan, Ungarn, Vereinigte Arabische Emirate, Iran, Republik Guinea, Tunesien, Armenien, Mexiko, Nicaragua, Republik Serbien (Bosnien und Herzegowina), Libanon, Myanmar, Mongolei, Montenegro, St. Vincent und die Grenadinen.

Der Eindruck, dass Sputnik V gut ist und westliche Impfstoffe schlecht sind

Als Zweitens fällt in den Medien auf, dass die Wirksamkeit von Sputnik V hervorgehoben wird, begleitet von Reportagen über Menschen, die westliche Impfstoffe ablehnen und auf die russischen Impfstoffe warten möchten.

Adik Levin:“ Ich persönlich denke, dass das, was Sie gesagt haben, eine vollständige politische Demagogie ist (EPL 16.02). Warum? Weil jetzt, da die international anerkannte Zeitschrift Lancet Material über die hohe Wirksamkeit des Impfstoffs Sputnik V veröffentlicht hat, viele Skeptiker zu verstehen beginnen, dass es sich um einen guten und wirksamen Impfstoff handelt.”

Der Impfstoff Sputnik ist wirksam. Dies erwarten die in Estland lebenden Russen. Er ist billig und möglich zu bekommen. Seine Wirksamkeit beträgt etwas mehr als 91 Prozent, und wie alle oben aufgeführten Impfstoffe benötigt es zwei Dosen. Der Preis für zwei Dosen liegt bei etwa 20 US-Dollar und ist damit billiger als der Oxford-Impfstoff. Bei diesen beiden handelt es sich auch um Vektorimpfstoffe, die temperaturresistenter sind. Deshalb ist Sputnik auch eine gute Lösung für Entwicklungsländer.

Wenn all dies noch knapp ist, ist Russland bereit, seinen Impfstoff allen anzubieten, die es wünschen. Derzeit gibt es Verträge für den Sputnik-Impfstoff mit mehr als 50 Ländern, zum Beispiel der Türkei und Ungarn, wo heute die Impfung mit Sputnik begann.

Im Narva Soldino Gymnasium, das ca. tausend Schüler und 115 Mitarbeiter hat, haben sich seit Montag nur 11 bereit erklärt, geimpft zu werden. Das Problem ist der Impfstoff.

“Diesem AstraZeneca wird einfach nicht vertraut, und andere warten nur auf Russlands Sputnik oder Pfizer. Sie sagten, vielleicht würden wir uns in Zukunft impfen lassen, aber mit einem anderen Impfstoff. Ich denke, ich werde mich impfen lassen, und danach werde ich den Lehrern sagen, ob und wie es sich auf meinen Körper auswirkt”, sagte der Soldino-Direktor Roman Treial der Nachrichtensendung „Aktuaalne Kaamera“.

Ein in Delphi veröffentlichter Artikel verdient extra Aufmerksamkeit: “Die estnischen Russen wollen keine europäische “Giftspritze”, sondern verlangen den Sputnik-Impfstoff”, wobei der Inhalt des Berichts diese Behauptung nicht unterstützt, stattdessen findet man folgende Absätze: “Laut Maimu Pintson, einer Ärztin im Kivila Hausarztzentrum in Lasnamäe, hat bisher nur einer der zur Impfung Eingeladenen den Wunsch geäußert, den Sputnik-Impfstoff zu erhalten. Pintson sagte, die Krankenschwester schaffte es, den Patienten zu überzeugen, und er stimmte dem Pfizer BioNTech-Impfstoff zu.” Oder ” Niin wüßte nicht, dass irgendein Patient auf seiner Liste den Impfstoff abgelehnt und den Wunsch geäußert hätte, den in Russland hergestellten Sputnik-Impfstoff zu erhalten. Er hat jedoch gehört, dass Patienten untereinander darüber gesprochen haben.

Die Erwartung, dass der Impfstoff bald eintrifft

Als eine dritte Episode existiert die Meinung, dass Sputnik V bald nach Europa und von dort nach Estland kommen wird.

Adik Levin 13.02: „Ich schreibe und spreche seit mehreren Monaten über den russischen Sputnik-V-Impfstoff. Nun hat auch die offiziell maßgebliche weltwissenschaftliche Zeitschrift Lancet anerkannt, dass dieser Impfstoff sehr effektiv ist. In den kommenden Wochen wird der Impfstoff definitiv von der Europäischen Arzneimittel-Agentur akzeptiert.

EPL 16.02. Wahrscheinlich haben wir auch keine Notwendigkeit, es nach dem Beispiel des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbén radikal niederzuschmettern. Erstens steigt die orbanistische Euroskepsis in Estland nicht so hoch. Zweitens könnte die Anerkennung von Sputnik V durch die Europäische Arzneimittel-Agentur bald erreicht werden.

Delfi 13.02.  Die Einführung von Impfstoffen in EU-Ländern erfordert grundsätzlich die Zulassung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), aber die Vorschriften erlauben es den Mitgliedstaaten, ausnahmsweise eine vorübergehende Zulassung für Arzneimittel zu erteilen. Nach Angaben des Ungarischen Nationalen Instituts für Pharmazie und Ernährung wurde die Verwendung des Sputnik-Impfstoffs zunächst für einen Zeitraum von sechs Monaten zugelassen, der um weitere sechs Monate verlängert werden kann.

Die russischen Behörden haben bei EMA auch einen förmlichen Antrag gestellt, den Impfstoff in der EU zu registrieren.

Delfis Leitartikel 10.20. Es liegt jedoch auch eine Chance in dem Problem. Russland hat bei der Europäischen Union einen Antrag auf Zulassung des Sputnik-Impfstoffs gestellt, und die Konsultationen laufen. Die russischen Impfstofftests waren bisher vielversprechend und haben mehr als 90 % Schutz bestätigt. Wenn ein großer Teil unserer Bevölkerung nur vom “richtigen” Impfstoffhersteller überzeugt wird, dann ist alles eher in Ordnung. Es ist besser, ihnen russische Produkte anzubieten, als das, wenn die Menschen nicht geimpft werden.

Die Behauptung wurde am Ende des Delfi-Leitartikels widerlegt und das ist auch die einzige Korrektur von Fehlern in den Medien zu diesem Thema. “* Der Leitartikel wurde korrigiert. Trotz der Behauptung in den russischen Medien hat die Europäische Union den Antrag auf Genehmigung von Sputnik V, wie wir ursprünglich beschrieben haben, nicht angenommen, sondern es finden erst die Konsultationen statt. Jedoch ist aber ein Antrag bereits gestellt. Wir bitten dafür um Entschuldigung!“

„Russland hat begonnen, eine Genehmigung für das Inverkehrbringen von Sputnik von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zu beantragen”, sagte Nohynek. “Allerdings kann jedes EU-Land auch bilateral Impfstoffe von anderen Pharmaunternehmen als denen, die Vertragsparteien des EU-Abkommens sind, beziehen, obwohl wir an der gemeinsamen EU-Beschaffung beteiligt sind. Eigentlich sollten wir nicht einmal auf die Genehmigung der EMA warten müssen, weil theoretisch die Zulassung durch die Fimea (der finnischen Arzneimittelbehörde) ausreichen würde. Aber im Allgemeinen benutzen wir die Impfstoffe, die eine zentralisierte Zulassung von der EMA für das Inverkehrbringen haben.”

Zusammenfassung

Die Voraussetzung für die Einführung des Sputnik-V-Impfstoffs in Estland ist eine Genehmigung der Europäischen Arzneimittel-Agentur für das Inverkehrbringen, deren Bedingung ein noch nicht eingereichter Antrag ist und von dort aus Transparenz und Nachprüfbarkeit des Produktionsprozesses. Falls Sputnik V jedoch eine Genehmigung der Europäischen Arzneimittel-Agentur für das Inverkehrbringen erhält, kann nur eine kleine Menge Estland erreichen, das eher dazu dient, Propagandaberichte zu machen, als Menschen massenhaft zu impfen.

Fotos und Grafiken: Statista, brionv/Flickr/CC