13.04.2018
In der letzten Woche erreichten die Medien Nachrichten darüber, dass auf Twitter Konten von estnischen Politikern und Meinungsführern im April dutzende Follower bekommen haben, deren Identität Verdacht hervorruft.
Darüber schrieb am Donnerstag, dem 12. April geenius.ee, der als Ziel für das Anlegen dieser Konten gleich mehrere Hypothesen aufgestellt hat. Das Portal hegt den Verdacht, dass die Vorbereitungen dazu dienen, entweder die Konten dieser bekannten Personen anzugreifen oder aber für eine langfristige Beeinflussungsaktion. Delfi Forte hat in dem Titel seines Berichtes die Frage in den Raum gestellt, ob es sich vielleicht um einen Angriff der Trollfabrik Russlands handelt.
Im Lichte dieser bedrohlichen Titel versuchte Propastop, Klarheit in diesem Fall zu bekommen. Wir stellten einige Fragen und überprüften einige Hypothesen.
Laut Einschätzung Propastops kann man anhand solcher Merkmale durchaus Roboterkonten erkennen, aber ähnlich sehen auch neue und wenig aktive Twitternutzer aus, die ihre Konten zufällig angelegt haben und Twitter nicht aktiv nutzen. All diese Merkmale geben letztlich keinen Grund, diesen Fall mit voller Sicherheit die „Gründung der Armee der Bot`s“ zu nennen.
Stecken hinter den Namen reale Menschen?
Bei den neuen Konten fällt auf, dass man viele Namen über eine einfache Suche in Google mit realen Menschen verbinden kann, meistens mit den Namen von Jugendlichen oder Kindern. Zum Beispiel haben wir auf der Internetseiten des Estnischen Fußballbundes und der einiger Schulen die Profile mehrerer junger Spieler oder Schüler gefunden, die man mit den Namen der neuen Konten in Verbindung setzen könnte. Folgend einige Beispiele über im April angelegte Konten:
Johanna Tomberg, die Daten sind auf der Internetseite des estnischen Fußballbundes zu finden.
Mathiias Oja, die Daten sind auf der Internetseite des estnischen Fußballbundes zu finden.
Mahtias Mõttus, die Daten sind auf der Internetseite des estnischen Fußballbundes zu finden.
Ralf Jorro, die Daten sind auf der Internetseite des estnischen Fußballbundes zu finden.
Rasmus Virkebau, die Daten sind auf der Internetseite des estnischen Fußballbundes zu finden.
Mattias Mänd, die Daten sind auf der Internetseite des estnischen Fußballbundes zu finden.
Sven Gerberg, die Daten sind auf der Internetseite des Elva Gymnasiums zu finden.
Kann es um einen Identitätsdiebstal handeln?
Als sich Propastop das erste Mal tiefgründiger mit diesem Thema beschäftigt hatte, kam in der Redaktion von Propastop dieser Verdacht auf, dann aber ist es uns gelungen, ein frisch angelegtes Konto mit einem realen jungen Menschen in Zusammenhang zu bringen, der bestätigte, dass er tatsächlich seit April Nutzer von Twitter ist und dass dieses Konto mit den Merkmalen eines Fake-Kontos ihm gehört.
Gilt dasselbe auch bei anderen Konten, die Hinweise auf reale Namen haben? Wir haben einige Kontobesitzer kontaktiert und wenn wir Antworten bekommen, informieren wir euch hier über die Ergebnisse.
Um die Hypothese des Identitätsdiebstahls zu widerlegen, können alle Leser, wenn sie es wünschen, mithelfen. Überprüfe, ob auf Twitter ein Konto mit den Namen Deines Kindes existiert. Wenn ja, dann frag nach, ob es dieses Konto selbst angelegt hat. Wenn nicht, gib Bescheid. Wir möchten euch daran erinnern, dass Twitter in seiner Umgebung 13 Jahre als untere Altersgrenze für seine Nutzer gesetzt hat.
Ganz nebenbei möchten wir erwähnen, dass wir uns während des Suchens darüber wundern mussten, wie viele persönliche Daten von estnischen Kindern frei im Internet zu finden und bei Interesse mit deren Schule, Wohnort oder Hobbyclub in Verbindung zu setzten sind. Das erschien uns nicht besonders sicher und ist gleich ein gutes Material für die, die die Fake-Konten anlegen wollen.
Warum haben Konten ähnliche Follower?
Eine Quelle des Verdachtes ist die Tatsache, dass viele frisch angelegte Konten im größten Teil identische Listen von Follower hat. Z.B. Außenministerium, Genka, Mihkel Raud, Marina Kaljurand, Toomas Hendrik Ilves, Marko Mihkelson, Taavet Hindrikus, Sten Tamkivi und viele andere Meinungsführer Estlands.
Ist es nicht verdächtig, dass die Jugendlichen sich plötzlich in Massen für Politik interessieren?
Bedauerlicherweise gibt es an diesem Muster nichts Seltsames. Genau diese Liste wird von Twitter jedem neuen aus Estland stammenden Mitglied empfohlen. Als Beweis haben wir ein neues Konto angelegt und geschaut, wem wir laut Twitters Empfehlung folgen sollten. Auf dem Foto ist zu sehen, was uns von Twitter angeboten wurde. Dieselben, die auch andere im April angelegte Konten bekommen haben.
Zusammenfassung: die schweren Verdachte werden durch nichts bestätigt.
Die Analyse von Propastop zeigt, dass es mindestens jetzt nicht besonders viele Beweise für das Anlegen etlicher feindlicher Roboterkonten gibt und auch die Machenschaften der Trollarmee Russlands konnten wir nicht beweisen.
Vielmehr stecken hinter den neuen Konten reale junge Menschen, die Twitter nicht aktiv nutzen. Die Gründe des Wachsens dieser Aktivitäten sollte man gesondert analysieren.
Ähnliche Verzeichnisse von Gefolgten kann man aber mit den Algorythmen Twitters erklären, die versuchen, dem neuen Nutzer die populärsten Personen zum Folgen vorzuschlagen.
Zum Wachsen der Popularität von Twitter in Estland tragen bestimmt auch mehrere Fernsehsendungen bei, an denen man über Twitter teilnehmen kann. Z.B. war die ETV Sendung „Aus der Seele reden“ am 4. April ein Anlass für das Anlegen mehrerer Konten.
Bilder: Screenshots aus Twitter, Titelbild Rob McDonalt/ Flickr / CC