Not ist im Anmarsch!“

15.10.2019

Der lateinische Name der Demagogie-Methode „Not ist im Anmarsch!“ argumentum ad baculum bedeutet übersetzt „Argument einer Keule“ und mit dieser Methode wird an die Ängste der Zuhörer oder Leser appelliert. In primitivster Form kann sich dies beispielsweise mit der Androhung körperlicher Gewalt äußern – „Wenn Du nicht sofort schweigst, kriegst Du auf`s Maul“. Inhaltlich handelt es sich um eine Drohung und in einer ein wenig höflicheren sozialen Kommunikation wird anstatt der körperlichen Gewalt oftmals auch auf andere mögliche Unannehmlichkeiten hingewiesen – „Wenn das bis morgen nicht erledigt ist, musst Du dir eine neue Arbeitsstelle suchen“ oder „Wenn so ein Verhalten weiterhin besteht, werde ich mich an ein Gericht wenden.“

In einer öffentlichen Debatte ist die Benutzung solcher nicht versteckter Bedrohungen in der Regel nicht üblich und hier wird das „Argument einer Keule“ etwas raffinierter benutzt, aber der Inhalt bleibt derselbe. Handelt man nicht, wie ein Demagoge es für richtig hält, erwartet einen ein unabwendbares Elend. Das Argument schürt die Ängste der Zuhörer oder Leser, um diese zu beeinflussen und je grösser diese sind, desto wirksamer ist Demagogie.

Zusätzlich zu den Schulbuchbeispielen können auch Beispiele aus unseren alltäglichen Medien gebracht werden. Demagogie wird oft als absichtliches Präsentieren fehlerhafter Argumente, um die Zuhörer oder Leser i die Irre zu führen, definiert und wird generell für nicht ethisch gehalten. Ad baculum ist aber eine etwas widersprüchliche Methode der Demagogie, da derjenige, der andere vor unangenehmen Folgen warnt, tatsächlich selbst daran glauben kann und es sich in diesem Falle doch nicht um unethisches Verhalten seinerseits handelt. Zudem ist das versteckte Ziel von Meinungsartikeln aber beispielsweise ihre Leser zu beeinflussen und die Methoden der Demagogie können hier als ein Teil der Kunst der Diskussion betrachtet werden. Das Argument der Keule ist in seiner Primitivität offenbar eine der ersten Demagogie-Methoden, die von der Menschheit bewusst benutzt wurde. Trotz seiner Einfachheit – oder eben deswegen handelt es sich aber um eine wirksame Methode, die oft auch heute noch benutzt wird und offenbar auch in der Zukunft.

Propastop suchte in der estnischsprachigen Presse in den letzten Wochen drei Artikel, in denen der Autor oder die Quelle das ad baculum benutzt hatte, um seine Behauptungen zu bekräftigen. Welche Methoden der Demagogie findest Du in diesen Artikeln noch?

Höchste Zeit, die Offensive der Schwachköpfe zu stoppen!
“Um als Volk und Staat zu überleben, muss man beginnen, jene Menschen zu schätzen, deren Sinn des Lebens nicht darin liegt, in einem muffigen Büro auf der PC-Tastatur zu klappern – unabhängig von der nicht vorhandenen Erfahrung auch gleich ein riesengroßes Gehalt zu verlangen -, danach in einem, in ein ehemaliges Fabrikgebäude gebauten Speisesaal fleischfreie Biospeisen zu sich zu nehmen und extrem auf die Spitze treibend an der Hysterie bezüglich der Umweltthemen teilzunehmen“, schrieb Peep Pahv, der Autor des Artikels.

Hier handelt es sich um die umgekehrte Methode „Not ist im Anmarsch“. Inhaltlich kann diese Behauptung folgend umformuliert werden: „wenn wir nicht beginnen, jene Menschen zu schätzen, deren Sinn des Lebens nicht darin liegt, in einem muffigen Büro auf den Tasten des PC zu klappern und später fleischfreie Speisen zu essen, werden wir als Volk und Staat nicht überleben.“

Medienunternehmen: Die Preiserhöhungen der Lieferungen nach Hause können dazu führen, dass Zeitungen und Zeitschriften auf dem Land verschwinden
“Das System bricht zusammen. Es bricht zusammen, weil hier eine Kettenreaktion entsteht, da Menschen, besonders auf dem Land, nicht mehr bestellen, die Auflagen werden reduziert und weil das Liefern bis zur Haustür ein von den Mengen abhängiges Geschäft ist, werden die Preise steigen und ab einem bestimmten Zeitpunkt werden gar keine Lieferungen mehr stattfinden,“ sagt in dem Artikel Mart Raudsaar, der Leiter des Vereines der estnischen Medienunternehmen.

Hier fehlt vor dem Satz: „Wenn man auf die geplante Preiserhöhung nicht verzichtet, dann …“

Universität zu Tartu: Sozialminister Kiik verhindert die Arbeit des Genomprojekts
“Das Fehlen des Komitees verhindert direkt die wissenschaftliche Arbeit des estnischen Genomprojekts und auch der anderen Unternehmen, die sich mit der Erforschung des menschlichen Genoms beschäftigen und auch internationale Zusammenarbeitsprojekte. Das kann dem Image des estnischen Staates unvorhersehbar schaden“, erwähnt in dem Artikel der Rektor der Universität zu Tartu, Toomas Asser.

Hier wird direkt gesagt, dass, wenn man nicht sofort dieses Komitee gründet, die wissenschaftlichen Tätigkeiten in Estland gebremst werden und der Imageschaden für den estnischen Staat vor den Augen der internationalen Öffentlichkeit unvorhersehbar wird.

Foto: Rob McDonalt / Flickr / CC